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"Wir haben uns zur Schlachtbank führen lassen" - Fall Schöneburg: Ominöser Häftlingsbrief im Landtag aufgetaucht

Von Marion Kaufmann. Die Liebeszellen-Affäre um den zurückgetretenen Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) wird immer mysteriöser: Mittlerweile ist im neuen Landtag ein handschriftlicher Brief aufgetaucht, der von Schöneburgs Ex-Mandanten Detlef W. stammen soll. Das Schreiben, das der MAZ vorliegt, richtet sich an den Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Danny Eichelbaum (CDU). Der Verfasser verspricht darin "genügend Aufschluss", "warum ein Minister sich speziell um das Wohlergehen zwei(er) Gewaltverbrecher kümmert".

Dann folgt aber nicht die zuvor in der JVA Brandenburg/Havel durch W. unter Zeugen angekündigte Abrechnung mit dem Ex- Anwalt Schöneburg - dessen Na me ist kein einziges Mal erwähnt -, sondern ein Verweis auf CDU-Ministerin Beate Blechinger, seine Amtsvorgängerin. Beigefügt seien "streng vertrauliche" Ministeriumsprotokolle von 2004 und 2005. Jener Zeit also, als mit Barbara Richstein und Beate Blechinger zwei CDU-Frauen der Justiz vorstanden und Schöneburg als Strafverteidiger die Interessen des Sextäters Detlef W. vertrat, der sich mit seinem Geliebten und Komplizen René W. in der JVA eine Zelle teilte. "Aufschluss", wie der Brief verspricht, liefert er aber nicht, im Gegenteil. In den beigefügten Dokumenten geht es um die gemeinsame Unterbringung von W. und N. - ein in Deutschland einmaliges Privileg, das der Anwalt Schöneburg den beiden gesichert hatte. "Beide Gefangene wollen, dass dieser Zustand auch künftig erhalten bleibt", heißt es in einem beigelegten Ministeriumsvermerk vom August 2004. Im Falle einer gewaltsamen Trennung sei "mit einem politischen Skandal" zu rechnen, heißt es 2005 in einem anderen Schriftstück.

Weiter ist davon die Rede, dass der Gefangene "gröbere Angelegenheiten" für Bedienstete erledige. Unter den Häftlingen bestehe die Auffassung, dass das Ministerium davon wisse. Das ominöse Schreiben liest sich also eher wie der Versuch, einen Freibrief für den zurückgetretenen Minister zu verfassen. Tenor: Auch Justizminister vor ihm wussten um die Brisanz des Falls der "Störche", wie die Sextäter wegen ihrer dünnen Beine und ihrer Hochwasserhosen knastintern seit DDR Zeiten genannt werden.

Auch Schöneburg selbst hatte bei einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag betont, dass bereits seine Vorgänger mit diesem besonderen Fall befasst gewesen seien. Der Unterschied: Schöneburg hatte in verschiedenen Rollen mit den Verbrechern zu tun. Zunächst als Anwalt, dann als Minister. Der Vorwurf, der ihn sein Amt kostete: Er habe beide Rollen nicht klar voneinander getrennt . W., der über die Handynummer des Ministers verfügte, soll es nicht gefallen haben, dass der Draht zu Schöneburg nun gekappt wurde. "Ich putze ihn jetzt weg", soll er am Donnerstag in der JVA getönt haben - mit der Ankündigung, in einem Brief zu offenbaren, was er gegen seinen Ex-Advokaten in der Hand habe. Im aufgetauchten Schreiben heißt es nur: "Beide Gefangene sind überlegen" und "Zu allen Gerichten haben wir Zugang". Weiter wird die Trennung der beiden durch die Verlegung N.s in die Sicherungsverwahrung Ende November beschrieben: "Wir haben uns zur Schlachtbank führen lassen ohne Gegenwehr" und "Wie sollen wir uns resozialisieren, wenn wir ständig nur angeprangert werden?" Für den Rechtsausschuss des Landtags, der sich morgen zu einer Sondersitzung trifft, wirft die Post nur neue Fragen auf: Wurde der in untypischer Schnörkelschrift verfasste Brief ohne Unterschrift tatsächlich von W. verfasst? Und: Wie hätte ein Häftling Zugang zu vertraulichen Vermerken erlangen sollen? Über den Anwalt? Seltsam auch: W.s Schreiben soll noch am Donnerstag die JVA verlassen haben, doch erst Montagabend kam ein Brief an. Ohne Poststempel.

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 18.12.2013

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