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"Richter und Staatsanwälte in Brandenburg arbeiten am Limit"

Das gab es noch nie: In Potsdam gehen 150 Staatsanwälte und Richter auf die Straße. Sie kritisieren geplante Sparmaßnahmen und Stellenabbau - und sehen den Rechtsstaat an der Grenze der Belastbarkeit.

Streiks sind den Brandenburger Richtern und Staatsanwälten verboten – sie sind Beamte auf Lebenszeit. Anders sieht es mit einer Protestkundgebung aus. Und genau dieses Mittel nutzten die Juristen am Donnerstag, um ein Zeichen gegen die Sparpläne der Landesregierung zu setzen. Die Koalition von SPD und Linke plant, bis 2018 insgesamt knapp 100 Stellen zu streichen.

Öffentliche Unmutsäußerungen von Staatsanwälten und Richtern gab es zum Thema Personalpolitik in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach. Doch eine Aktion wie am Donnerstag ist bislang einmalig in der Geschichte Brandenburgs: Mehr als 150 Richter und Staatsanwälte aus allen Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes kamen nach Potsdam und trafen sich um neun Uhr vor der Staatskanzlei.

Auch Behördenleiter reisten an. Anschließend zogen sie gemeinsam mit Transparenten und Trillerpfeifen zum rund 1000 Meter entfernten Landtag und führten eine Kundgebung durch.

Viel zu wenig Nachwuchs

"Der Unmut ist groß", sagte Matthias Deller, Landesvorsitzender des Deutschen Richterbundes. Die zahlreiche Beteiligung an der Veranstaltung verdeutliche den Widerstand gegen die Rotstiftpolitik der rot-roten Landesregierung. "Richter und Staatsanwälte in Brandenburg arbeiten jetzt schon am Limit", sagte Deller.

"Und das nicht erst seit ein, zwei Jahren, die haben 25 Jahre Aufbauarbeit hinter sich." Bei den Sparplänen würde auch nicht berücksichtigt, "dass das Durchschnittsalter der Richter und Staatsanwälte fast 52 Jahre beträgt. Alle Kollegen wissen, dass wir dringend Nachwuchs brauchen, mindestens jedes Jahr 30 neue Richter und Staatsanwälte. Aber die werden von der Landesregierung nicht eingestellt."

Besonders hart sollen von den Sparmaßnahmen die Landgerichte betroffen werden. Geplant ist, 13 Stellen für Vorsitzende Richter am Landgericht (das sind 28 Prozent) und 29 Stellen für Richter am Landgericht (neun Prozent) zu streichen. "Das würde bedeuten, dass dort in in den nächsten Jahren ein Drittel aller Kammern geschlossen wird", kritisierte Deller.

Bei der Staatsanwaltschaft stehen 24 Stellen (zwölf Prozent) auf der Streichliste, hinzu kommen sieben Stellen für Oberstaatsanwälte (14 Prozent). Auch das Brandenburgische Oberlandesgericht ist betroffen, dort sind es sechs Richterstellen (14 Prozent) und eine der insgesamt 13 Stellen für Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht.

"Wir sind zu langsam"

"In der Konsequenz", sagte Deller, "müssen Bürger sehr viel länger auf ihre Urteile warten." Als Beispiel nannte er die Klage eines Gläubigers, dem 200 Euro bei einem Kauf nicht gezahlt wurden. "In Brandenburg geht das dann nicht wie in anderen Bundesländern in drei, vier Monaten über die Bühne", sagte der Vorsitzende des Richterbundes. "So ein Verfahren kann dann bei uns schon mal ein Dreiviertel- oder ein ganzes Jahr dauern. Kurzum – wir sind viel zu langsam."

Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov (Linke) erklärte, dass diese Probleme von der Landesregierung durchaus auch gesehen und berücksichtigt würden. Der Doppelhaushalt 2015/2016 ermögliche jährlich 45 bis 50 Einstellungen. Damit könne Personal auch Schritt für Schritt verjüngt werden, so Markov.

Bei der Protestkundgebung erntete Markov dafür bitteres Gelächter und empörte Zwischenrufe. "Er kann uns nicht mit Zahlen zuschütten und die Realität verdrängen", kritisierte Deller, zugleich Direktor des Amtsgerichts Königs Wusterhausen. Die Argumentation des Justizministers, in den Sozialgerichten sei die Zahl der Richter in zurückliegender Zeit sogar erhöht worden, bewertete der Richterbund-Chef als "Feigenblatt".

Polizei symphatisiert mit streikenden Richtern

Es sei zwar richtig, "dass an den Sozialgerichten 19 neue Stellen geschaffen wurden, um die Hartz-IV-Klagen besser in den Griff zu bekommen. Die Sozialgerichte waren aber zuvor auch deutlich unterbesetzt." Als Affront wurde gewertet, dass Markov und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sich keine Zeit für ein kurzes Gespräch mit den Demonstranten genommen hatten. Er halte "die Straße nicht für den richtigen Platz für derartige Gespräche", erklärte Justizminister Markov und erntete dafür Kritik von der CDU-Abgeordneten Barbara Richstein: "Das wäre eine Frage des Stils gewesen."

Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Danny Eichelbaum, sah durch den geplanten Stellenabbau "den Rechts- und Wirtschaftsstandort Brandenburg gefährdet". Die Beschäftigten würden schon jetzt dauerhaft an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten. "Die Leidtragenden dieser verfehlten Personalpolitik werden neben den Justizbeschäftigten vor allem die Bürgerinnen und Bürger sein", sagte Eichelbaum.

Unterstützung für die protestierenden Juristen kam auch von der Polizei. "Kaputt gespart – erst die Polizei und jetzt die Justiz", hieß es vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. "Sicherheit und Recht dürfen nicht kaputt gespart werden", forderte die Gewerkschaft der Polizei.

Von Michael Mielke

Quelle: Berliner Morgenpost, 29.05.2015

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