info@danny-eichelbaum.de       03378 / 548 08 88

Streit um Gerichtspräsidenten am Landessozialgericht - Justizpolitik nach Parteibuch

Eigentlich rühmen sich Brandenburg und Berlin ihrer gemeinsamen Obergerichte. Seit Anfang 2014 aber hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg keinen Präsidenten mehr. Die Besetzung wichtiger Posten gerät zum politischen Ränkespiel.

Potsdam/Berlin - Seit Anfang 2014 ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam ohne Präsident. Nun verzögert sich die Besetzung erneut – diesmal wegen parteipolitischer Ränke im Berliner Senat, die Abgeordnetenhauswahl wirft ihre Schatten vor.

Berlin und Brandenburg haben sich eigentlich schon geeinigt

Ursprünglich sollte der Richterwahlausschuss nach langer Hängepartie am 2. März einen neuen Präsidenten wählen. Berlin und Brandenburg hatten sich sogar schon geeinigt: Martin Karl Ernst Estelmann sollte es werden. Er kommt vom Bundessozialgericht. Doch nun wird es wieder nichts. Der Tagesordnungspunkt im Richterwahlausschuss entfällt. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat ein Veto eingelegt. Nach dem das rot-rote Brandenburger Kabinett nach längerem Ringen Estelmann zugestimmt hatte, liegt die Sache seit Wochen in der Berliner Senatskanzlei, einen Senatsbeschluss wird es vorerst nicht geben. Dabei hat Estelmann im Vergleich zu den Mitbewerbern das höchste Ausgangsamt und die besseren Bewertungen – und müsste daher genommen werden.

Die Vorgeschichte: Ende 2013 ging Gerichtspräsidentin Monika Paulat in Pension. Aus dem ersten Bewerbungsverfahren um die Nachfolge ging Sabine Schudoma, Präsidentin des Sozialgerichts Berlin, des größten in Deutschland, als Favoritin hervor. Brandenburg stimmte zu. Doch Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) – so heißt es intern – sperrte sich, weil Schudoma als SPD-nah gilt. Anfang 2015 teilte Heilmann dann der Richterschaft mit, dass er sein Einvernehmen ausdrücklich verweigert. Obwohl das gesamte Verfahren beendet war, setzte er es erneut in Gang. Und er brachte eine neue Bewerbung ins Spiel: die von Estelmann, angeblich wegen seiner CDU-Nähe, wie Justizkreise, Brandenburgs Landesregierung und die SPD Heilmann vorwarfen. Er soll angeblich sogar aktiv gesucht haben, um Schudoma zu verhindern. Aus dem Umfeld des Senators hieß es damals, Heilmann habe das Verfahren gerettet, wegen Verfahrensfehlern in Brandenburg hätten Konkurrentenklagen gedroht. Mit dem damaligen Verfahren befasste Juristen sprechen von einer Ausrede.

„Er wollte mit dem Kopf durch die Wand und ist daran böse abgeprallt“

Nun schickte Heilmann im Januar seinen neuen Personalvorschlag für Estelmann an die Senatskanzlei – mit der Bitte um eilige Behandlung in Müllers Kabinett, weil der gemeinsame Richterwahlausschuss im März tagt. Offenbar, so heißt es aus der Justiz, habe Heilmann sein Vorgehen zuvor nicht ausreichend kommuniziert. Der Senator habe versagt, heißt es von Sozialrichtern. „Er wollte mit dem Kopf durch die Wand und ist daran böse abgeprallt“, sagte einer, der sich auskennt.

An den Sozialgerichten wird nun befürchtet, dass Müller seinerseits die von Heilmann in Gang gesetzten Personalpolitik nach Parteibuch in die andere Richtung fortsetzt. Und das, obwohl der Richterrat der Sozialgerichte sich für Estelmann ausgesprochen hat. Zudem sei es, so heißt es in der Justiz, bemerkenswert, dass selbst Rot-Rot in Brandenburg und sich der Linke-Justizminister Helmuth Markov selbst trotz des belasteten Verhältnisses zu Heilmann für den neuen Kandidaten trotz dessen CDU-Nähe entschiedenen habe – vor allem, um die Hängepartie endlich zu beenden.

Zur Erinnerung: 2012 war Schudoma auf Vorschlag der Sozialdemokraten zur Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichts gewählt worden. Im Dezember wurde Bernd Pickel, der als CDU-nah gilt, zum Präsidenten des Kammergerichts ernannt. Geht es also in der Senatskanzlei am Ende nur um die Frage, ob die SPD der CDU noch eine wichtige Personalie überlassen will? Das vermuten einige. Kolportiert wird sogar, Schudoma könnte nun wieder im Rennen sein, wenn es gelänge, die Sache in die nächste Legislatur nach der Abgeordnetenhauswahl im September zu schleppen.

Skandalöse Hängepartie um Präsidentenstelle

Der Rechtsexperte der CDU im Landtag Brandenburg, Danny Eichelbaum, nannte die Hängepartie um die Präsidentenstelle einen Skandal. Die Landesregierungen seien nicht in der Lage, den Chefsessel am Landessozialgericht zu besetzen. „Darunter leidet nicht nur die Arbeitsfähigkeit in den Gerichten“, sagte Eichelbaum den PNN. „Dieser Vorgang offenbart auch eine Respektlosigkeit der Landesregierungen gegenüber der rechtssprechenden Gewalt, die die verfassungsrechtliche Toleranzgrenze schon längst überschritten hat.“ Weitere zeitliche Verzögerungen seien nicht hinnehmbar. Brandenburgs Justizminister Markov habe dem Richterwahlschuss seit Monaten eine zeitnahe Entscheidung versprochen. Markov müsse jetzt endlich handeln und die Besetzung der Präsidentenstelle „zur Chefsache machen“.

„Hier wird auf dem Rücken der Justiz parteipolitisches Gezänk ausgetragen“, sagte der Berliner Rechtspolitiker Dirk Behrendt (Grüne). „Das ist ein Unding. Es kann nicht sein, dass wir dreijährige Vakanzen haben.“ Tatsächlich läuft es nun darauf hinaus, denn der gemeinsame Richterwahlausschuss der beiden Länder tagt nur selten; der Präsidentenposten kann wahrscheinlich nicht mehr in diesem Jahr besetzt werden. Beim Landessozialgericht rechnet niemand damit.

Dann wäre das Gericht drei Jahre ohne Präsidenten, sondern nur kommissarisch geführt durch den Vizepräsidenten, dessen Verhandlungsposition gegenüber Senat in Berlin und dem Justizministerium in Potsdam deutlich schwächer ist als die eines Präsidenten. Aus der Richterschaft hieß es, die Politik missachte mit ihrem Vorgehen die Justiz. Unter den Richtern des Landessozialgerichts herrsche „größter Unmut“ über die Lage. Das Gericht werde künstlich klein gehalten. Obwohl sich an den Sozialgerichten in der Region riesige Aktenberge stapeln, kann die Politik in dieser Lage Forderungen nach mehr Personal leicht abbügeln.

von Alexander Fröhlich und Fatina Keilani

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten, 16.02.2016

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.