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„Ein sehr unerfreulicher Vorgang“ - Warum SPD-Kulturministerin Martina Münch ein unter Schutz stehendes Haus abreißen lässt
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- Mittwoch, 17. März 2010 23:43
Eine Schönheit ist es nicht mehr, das Haus in der Dorfaue 20 in Großbeeren (Teltow-Fläming). Es war einst ein ungewöhnlich prächtiges Bauernhaus. Die Stuckfassade, die Putten und der Säulenportikus lassen erahnen, dass die Bauersfamilie Paul, die das Haus 1893 errichtete, es zu einigem Reichtum gebracht hatte. Heute modert es hinter der Fassade, die besten Zeiten hat das Haus in der Ortsmitte lange hinter sich. Es steht unter Denkmalschutz. Abgerissen wird es trotzdem – mit Sondergenehmigung von Kulturministerin Martina Münch (SPD). An der Stelle des Baudenkmals soll ein Supermarkt errichtet werden.
Der Streit um die Dorfaue 20 gärt schon lange. Gestern erreichte der Fall den Kulturausschuss des Landtages, wo Ministerin Münch auf Antrag der CDU-Abgeordneten Anja Heinrich Stellung beziehen musste. „Für mich ist das ein sehr unerfreulicher Vorgang“, sagte Münch im Ausschuss. „Das ist ja ein sehr schönes Gebäude.“ Doch sie habe nicht anders handeln können, da es für das marode Anwesen keine Nachnutzungsmöglichkeit gebe. Außerdem habe der Eigentümer mit einer Klage gegen das Land gedroht, falls er das Haus nicht endlich abreißen könne. „Es drohte ein jahrelanger Streit, während das Gebäude weiter zerfällt“, so Münch.
Manfred Cieslik, ein Großbeerener Bauunternehmer, hatte das Haus vor Jahren gekauft. Da stand es noch nicht unter Denkmalschutz. 2006 stellte er den Abrissantrag, kurz darauf setzte es das Landesamt für Denkmalpflege auf die Schutzliste. Cieslik aber hat einen wichtigen Fürsprecher für den Abriss: Landrat Peer Giesecke (SPD).
Für den CDU-Landtagsabgeordneten Danny Eichelbaum wirft der Fall eine Reihe von Fragen auf. Fragen nach persönlichen Beziehungen, nach Einflussnahme und politischem Druck. Cieslik und Giesecke kennen sich gut. Sie sind per Du. Kein Zufall, dass Giesecke sich so vehement für den Abriss des Hauses einsetzt, glaubt Eichelbaum. „Hier geht es offenbar nicht nach Recht und Gesetz, sondern nach dem Prinzip ,Eine Hand wäscht die andere’“, so Eichelbaum. Er hat die rund 400 Seiten umfassenden Verwaltungsakten zu dem Vorgang studiert und kommt zu dem Schluss, „dass der Landrat über jedes Maß Einfluss genommen hat“ und Druck auf seine Behördenmitarbeiter ausgeübt hat.
Tatsächlich hatten die Denkmalschützer massive Bedenken gegen den Abriss geäußert. Untere und Obere Denkmalschutzbehörde waren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sanierung des Hauses wirtschaftlich rentabel für Cieslik und damit der Abriss nicht statthaft sei.
Die Freundschaft zwischen Giesecke und Cieslik fand sogar Eingang in die Akten – als mahnende Notiz: Darin heißt es, zwischen dem Landrat und dem Eigentümer gebe es ein „bedenkliches Näheverhältnis“. Auch der Landeskonservator Detlef Karg intervenierte in einem Schreiben an das Kulturministerium und beklagte die Eigenmächtigkeiten des Landrats.
Das war im vergangenen Herbst, als Johanna Wanka (CDU) noch Kulturministerin war. Sie zeigt sich über Münchs Entscheidung nun verwundert. Dabei hatte Wanka selbst den Fall lange auf dem Schreibtisch, aber nicht gehandelt. Die Unterlagen hätten nicht für eine Entscheidung gereicht, sagt sie.
„Quatsch“, sagt Landrat Giesecke zu dem Filz-Vorwurf. „Wenn ich zu entscheiden habe zwischen einer Ruine, die keiner braucht, und 20 Arbeitsplätzen bei Edeka, dann stehe ich immer auf der Seite derer, die den Kreis voranbringen.“ (Von Torsten Gellner und Hartmut F. Reck)
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung, 18.03.2010